Page 43 - Expotime10_11_2017
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Kasra Seirafi den Besuchern einiger Museen verstärkt diese Problematik. der Inhalte aufgerufen und Interaktionen durchgeführt wer-
Außerdem wird sich beim Thema Refinanzierung schnell zei- den können. Verglichen mit einem Computer: einerseits hat
Apps und Besucherguides für Museen gen, daß Besucher durchaus bereit sind, für Leihgeräte zu be- man ein Gerät ( Laptop oder Standard-PC ), andererseits Soft-
ware wie etwa Microsoft Word, um Texte zu schreiben. Besu-
zahlen, während bei einem reinen App-Download die Schwelle
Ein Leitfaden für den erfolgreichen Einsatz jedoch wesentlich höher liegt. Falls man trotzdem den Schritt cher benötigen natürlich kein Microsoft Word, sondern eine
zeitgemäße, mobile App, die einfach zu bedienen ist und alle
in eine Hardware-freie Guidinglösung gehen möchte, sollte
ein Augenmerk darauf gelegt werden, daß der Anbieter der Vermittlungsfunktionen in einem professionellen Design er-
Lösung auch die Möglichkeit bietet, bei Bedarf zu einem spä- möglicht.
teren Zeitpunkt Leihgeräte nachzuliefern.
Nun gehören Hardware und Software freilich zusammen: Eine
Anzahl der Guides reduzieren Besucher-App muß optimal auf den Smartphones laufen, wie
auch auf eventuell zugekauften Leihgeräten. Man sollte also Lö-
Manchmal kann auf Leihgeräte also nicht ganz verzichtet wer- sungen einsetzen, die system-offen sind und auf allen neueren
Besucherservice im Aufbruch zuletzt auch die Frage der Refinanzierung („Return-On-Invest- den. Jedoch kann man die Anzahl signifikant reduzieren. Denn Smartphones laufen. Bei Ausschreibungen und Angebotsver-
ment“) mit einer „Hybridlösung“ bieten Sie einen vollen Multimedia- gleichen muß genau evaluiert werden, welche App-Software
Neun von zehn Museumsbesuchern haben inzwischen ein guide als App für die Smartphones Ihrer Besucher an und ver- auf den Geräten laufen wird. Die App sollte zumindest sowohl
Smartphone in der Tasche. Neue Touchguides lösen in vielen App versus Leihgerät fügen zusätzlich über Leihgeräte, auf denen die gleiche App auf IOS (Apple) wie auf Andriod (Google) Geräten lauffähig
Häusern den alten Audioguide ab. Die rasante Entwicklung läuft. Damit steht es dem Besucher frei, das eigene Smartpho- sein. So begibt man sich in keine Einweg-Abhängigkeit. Der
mobiler Technologien hat die globale Museumswelt erfaßt. Bisher war die Anschaffung von physischen Besucherguides, ne zu nutzen oder ein Leihgerät zu verwenden. Ein Tip: wenn große Vorteil besteht darin, daß Geräte dann auch selbst ange-
Wie nun darauf reagieren? Es ist klar, Smartphone-Apps und meist reine „Audioguides“, obligatorisch. Durch die immense die Leihgeräte kostenpflichtig sind, die App jedoch nicht, wird schafft oder von einem anderen Anbieter übernommen wer-
Multimedia-Guides eröffnen bisher ungeahnte Möglichkeiten Verbreitung von Smartphones hat sich nun die Möglichkeit er- der Besucher stärker motiviert das eigene Smartphone zu ver- den können. Einige Lösungen, die angeboten werden, basieren
für Besucherservice, Vermittlung und Kundenbindung. Multi- geben, auf Leihgeräte ganz zu verzichten. Stattdessen können wenden. Dies wiederum verringert die Anzahl der anzuschaf- aber genau darauf, den Kunden in ein Abhängigkeitsverhältnis
mediales Wissen, kontextsensitive Vermittlung, Integration so- Museen Apps anbieten, die der Besucher auf seinem gewohn- fenden Leihgeräte, senkt Kosten und vereinfacht den operati- zu bringen, um so bei jedem Geräte- oder Inhaltsupdate neue
zialer Medien oder mobiles Lernen im Museum sind nur einige ten Smartphone verwendet. Die Vorteile liegen auf der Hand: ven Betrieb. Kosten zu veranschlagen. Man muß folglich nicht nur die un-
der Umsetzungsmöglichkeiten. Kulturelle Institutionen sollten keine Ausgabe- und Rückgabe-Logistik, keine Haftungsfragen, mittelbaren Anschaffungspreise, sondern den „Total-Cost-of-
deshalb die Chancen dieser neuen Möglichkeiten für sich aus- und vor allem wesentlich geringere Anschaffungs- und Be- Noch ein Hinweis: vor der Anschaffung sollte die Skalierbarkeit Ownership“ im Auge haben. Hierzu zählen eben auch die un-
loten. Es geht schließlich um die Zukunft, um an die technische triebskosten. Noch dazu bieten heutige Smartphones weitaus des Systems geklärt werden. Wenn die Budgetdynamik es zu- vermeidbaren Mehrkosten bei der Verwendung proprietärer
Entwicklung anzudocken und neue Zielgruppen anzusprechen. mehr Funktionalität als die alten Audioguides. Es können multi- läßt, sollte man klein starten und erst im Bedarfsfall die Anzahl Systeme.
Aber die Anschaffung eines neuen Guiding-Systems ist heraus- mediale Inhalte angeboten, interaktive Vermittlungsangebote der Leihgeräte erhöhen. Eine „Launch-And-Grow“-Strategie
fordernd. Einerseits gilt es, an die technologische Komplexität für Kinder, Familien und Schulklassen entwickelt, soziale Me- ist meist ökonomischer als ein kostenintensiver „Big-Bang“ mit
und Aktualität anzuknüpfen, andererseits verlangt ein solches dien integriert, oder die Barrierefreiheit auf eine neue Stufe ungewissem Ausgang.
Projekt einen ganzheitlichen Blick auf alle operativen Faktoren gebracht werden. Trotz dieser offensichtlichen Vorteile sollte
eines Museums. Es entsteht eine nicht zu unterschätzende Dy- klar sein, daß der vollständige Verzicht auf auszugebende Gui- Kostenfaktor Zubehör
namik im Anschaffungs- und Umsetzungsprozeß. Dieser Bei- des auch Nachteile mit sich bringt. Denn trotz großer Verbrei-
trag versteht sich als Leitfaden für die wichtigsten Schritte in tung von Smartphones und Tablets kann nicht angenommen Bei Leihgeräten sollte in der Kalkulation keineswegs das Zubehör
Konzeption und Anschaffung eines modernen, App-basierten werden, daß jeder ein kompatibles Gerät mit sich führt und es vergessen werde: Kopfhörer, Umhängebänder ( „Lanyards“ ), Hül-
Besucherguides. Er zeigt Stolpersteine auf und behandelt nicht auch verwenden möchte. Der höhere Altersdurchschnitt bei len, Ladestationen etc.. Auch hier kann gespart werden. Zum Bei-
spiel bei Kopfhörern, denn wo steht geschrieben, daß jede Tour
aus Audiospuren bestehen muß? Gute Touchgeräte ermöglichen
eine gestochen scharfe und gut lesbare Darstellung von Text oder
Bildergalerien. Außerdem sind interaktive Quizze oder mobiles
Lernen oft spannender als stundenlange Monologe.
Einen weiteren Kostenpunkt stellt die Ladetechnik dar. Geräte
müssen schließlich irgendwo gelagert und aufgeladen werden.
Hier ist die Empfehlung, auf zukunftssichere Produkte zu set- Mobile Lernerlebnisse für alle Altersstufen per App
zen. Reine Insellösungen sollten vermieden werden, da sie voll im Deutschen Technikmuseum, Berlin
und ganz von einem Hersteller abhängig machen. So sollte ge-
prüft werden, ob die mobilen Leihgeräte auch mit handelsüb- Anpassung, Setup & „Total Cost of Ownership“
lichen USB-Kabeln aufgeladen werden können. Somit ist man
zu jedem späteren Zeitpunkt bei der Anschaffung von Ladesta- Es gilt zu beachten, daß bei modernem Besucherguiding rei-
tionen anbieter-offen. ne Materialkosten nur einen Teil der Aufwände ausmachen.
Zentral sind nämlich App-Layout und Software-Entwicklung.
Geschlossene versus offene Systeme Man muß auf Nummer sicher gehen, daß Anpassungen in der
Besucher-App ohne späteren Aufpreis möglich sind. Hier geht
Kommen wir zu einer wichtigen Unterscheidung, die von vie- es nicht nur um das eigene Logo, Impressum, die Vorstellung
len Museumsverantwortlichen übersehen wird und oft hohe des Museums und ähnliches. Die App soll auch in Farbgebung,
Folgekosten verursacht. In der Welt der mobilen Technologie Layout und Schriftarten dem Corporate Design des Museums
gilt es, strikt zwischen Software und Hardware zu unterschei- entsprechen. Das Maßschneidern der Appür ein Museum muß
den. Was bedeutet das? Einerseits wird ein Besucherguide im Angebotspreis inkludiert sein, schließlich ist eine Museums-
natürlich auf Geräten (Hardware) vom Besucher bedient: auf App kein „Off-the-Shelf“ Produkt wie etwa Microsoft Word
dem eigenen Smartphone und/oder auf einem Leihgerät vom .
Museum. Andererseits funktioniert das Ganze nur, wenn auf Auch oft nicht Teil eines ersten Angebotes ist der Aufwand
diesen Geräten eine Software ( eine „Mobile App“ ) läuft, die für das Setup. Ein Guiding-Partner sollte nicht nur eventuelle
Besucher-Apps ermöglichen das Gestalten eigener Ausstellungen im Landesmuseum Ferdinandeum, Tirol dem Besucher eine interaktive Bedienoberfläche bietet, auf Geräte liefern, sondern diese auch aufbauen und testen. Eine
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MUSEUM AKTUELL 243 | 2017 MUSEUM AKTUELL 243 | 2017
EXPOTIME!, issue October / November 2017