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 Einschulung des Personals inklusive der Erklärung des Support-  Touren zulassen. Idealerweise läuft das CMS im Webbrowser,   lungseffekt erzielt werden, ganz ohne Audios. Dadurch spart   get  genommen  werden.  Immerhin  ist  moderne  Vermittlung
 Ablaufs („was tun bei Problemen?“) sollte im Preis ebenso ent-  dann muß keine neue Software im Betrieb installiert werden.   man dann nicht nur bei Kopfhörern, sondern eben auch bei   für Individualbesucher ein Standardservice, der in der Eintritts-
 halten sein. Letzteres kann kaufmännisch ganz gut abgesichert   Dies ist deshalb entscheidend, weil man immer in der Lage sein   teuren Medienproduktionen. Doch neue Lösungen bieten noch   karte inkludiert sein muß. Die Wahrheit liegt wohl irgendwo
 werden, wenn ein Teil der Zahlung erst „Nach Setup und Ein-  sollte, Änderungen am Inhalt auch selbst durchführen zu kön-  mehr. Durch sinnvolle Partizipationsfunktionen, interaktive Ele-  dazwischen. Es gibt einige Möglichkeiten der zusätzlichen Fi-
 schulung vor Ort“ geleistet wird.  nen. Ansonsten drohen Mehrkosten  bei Umstellungen  oder   mente, „Gamification“, Mobile Learning oder Favoritenfunktio-  nanzierung, doch es sollte nicht damit gerechnet werden, daß
 dem Neuaufbau von Ausstellungen.  nen wird das Vermittlungsangebot nicht nur innovativer, son-  ein Guide das Budget völlig unangetastet läßt. Wie ist also ein
 Content Management  dern gleichzeitig in der Medienproduktion effizienter. Wer den   „Return on Investment“ möglich?
 Content Development   Schwenk von passiver Informationsübermittlung hin zu aktiver
 Der beste Guide bringt nichts ohne gute Inhalte. Der Besucher   Partizipation wagt, bietet dem Besucher nicht nur ein neues   Ausleihgebühr
 will schließlich vordergründig keine Technologie, sondern in-  Kommen  wir  zum  Inhalt  selbst.  Die  didaktische  Konzeption   Erlebnis, sondern reduziert die notwendige Inhaltsproduktion.
 haltliche Erlebnisse, seien es Tonspuren, Videos, Text, Bilder   (welche Exponate beschreiben, welche Toursystematik, wel-  Wenn der Guide etwa in der Lage ist, den Besucher Fragestel-  Entschließt man sich dazu, die neue App auch auf Leihgeräten
 oder, bei avancierteren Systemen, interaktive Funktionen oder   che  Inhaltstypen,  welche  thematische  Klammer)  kann  vom   lungen zu den Exponaten lösen zu lassen, kann dies Kosten spa-  anzubieten, kann dafür ein Preis aufgerufen werden. Es ist dabei
 auch Social Web-Anbindungen. Hier gilt die Faustregel, die In-  Anbieter kommen, sollte jedoch stark vom Kurator, Vermitt-  ren. Denn es kommt garantiert günstiger, die Kunstvermittlung   aber zu bedenken, daß für den Besucher der Gesamtpreis ent-
 haltshoheit bleibt beim Museum, auch wenn ein Anbieter Con-  ler oder Museumsplaner unterstützt werden. Produktion und   Fragen zu Schlüsselexponaten formulieren zu lassen, als eine   scheidend ist, also Eintrittspreis plus Ausleihgebühr. Das Pricing
 tent für Sie produziert. In diesem Fall muß man sich alle Nut-  Übersetzung  der  Inhalte  können  voll  ausgelagert  werden.                                                                                                                              teure  Audioproduktion  auszurollen.  Natürlich  sind  die  Anfor-  in den verschiedenen Kategorien (normal, ermäßigt, Gruppen)
 zungsrechte überschreiben lassen und darauf bestehen, den   Eine  andere  wichtige  Überlegung  beginnt  noch  davor.  Man   derungen von Ausstellung zu Ausstellung verschieden, und auf   muß folglich so gestaltet werden, daß auch der Preis inklusive
 gesamten Content auch im Original ( als digitale Mediendatei   sollte gut überlegen, ob die Medienproduktion in einer großen   klassische Audiovermittlung kann freilich nicht immer verzich-  Leihgebühr  psychologisch  nachteilige  Grenzwerte  nicht  über-
 ) zu erhalten. Erstens ist die Mehrfachverwendung von Inhal-  Quantität überhaupt notwendig ist. Erfahrungsgemäß beste-  tet werden. Ein Blick über den Tellerrand hinaus lohnt sich aber   schreitet.
 ten oft relevant ( um z. B. Videos auch für Social Media-Kanäle   hen zum Beispiel Audioguides in Museen zumeist aus zu vielen   immer. Interaktion und Partizipation mittels mobiler Technolo-
 nutzen zu können ), zweitens wird ein späterer Systemwechsel   Audio-Stops. Untersuchungen zeigen, daß nach 10 – 15 Audio-  gien finden langsam aber sicher Eingang in Museen. Sie sollten   Wichtig  für  die  erfolgreiche  Vermietung  eines  Leihguides  ist
 einfacher. Es gibt Fälle, bei denen Inhalte so an die geliefer-  spuren kognitiv meist Schluß ist. Die restlichen 30 Stops wer-  diese Entwicklung nicht verschlafen.  die  Ausgabestation.  Es  handelt  sich  hier  um  einen  zusätzli-
 ten Guides gekoppelt werden, so daß man ohne den Anbieter   den dann vom Besucher übersprungen. Da können dann auch   chen „Point of sale“ (POS). Die meisten Besucher haben zwar
 nicht  mehr  an  den  Content  kommt.  Spätere  Modifikationen   einmal 3 / 4 der investierten Ressourcen ins Leere greifen. Also   Wartung & Support  beim  Eintreffen  am  POS  die  Kaufentscheidung  für  ein  Ticket
 oder gar die Migration der Inhalte in ein neues System sind   lieber weniger Stops definieren, dann dort aber dem Besucher   getroffen, nicht jedoch für die Leihe eines Guides. Wie bei al-
 dann häufig mit Zusatzkosten verbunden. Dies bringt uns zu   wirklich einen Mehrwert bieten.                                                                                                      Wie alle Services, generieren auch Guidingsysteme Betriebsko-  len Kaufentscheidungen ist der Erfolg dann am größten, wenn
 einem  wichtigen  Punkt.  Jedes  heutige  Guidingsystem  sollte   sten. Die Erstinvestition ist nur ein Teil der Gesamtkosten.      Eine   die  „AIDA“  Attention  –  Interest  –  Desire  –  Action  stimmt.
 mit einem Redaktionssystem („Content Management System“,   Es wurde bereits erwähnt, daß aktuelle Gerätetypen die Mög-  Grundsatzentscheidung ist die Frage, ob für die Ausgabe von   Aufmerksamkeit  (Attention)  und  Interesse  erzeugt  man  nur,
 kurz CMS) ausgeliefert werden. Dieses System sollte einfach   lichkeit bieten, auch Textinhalte optional zu präsentieren. Dies   Leihgeräten zusätzliches Personal eingestellt werden muß. Bei   wenn der Guide überhaupt sichtbar ist. Der Ausgabeort darf
 und ohne  technische  Vorkenntnisse  zu bedienen sein sowie   kann  durch  Vertiefungsebenen  und  Zielgruppen  orientierte   wenigen Geräten kann Ausgabe und Rücknahme auch vom Kas-  also nicht versteckt im hintersten Winkel der Garderobe plat-
 den vollen Zugriff auf alle Inhalte und die Strukturierung der   Angebote verbessert werden. So kann ein exzellenter Vermitt-  sen- oder Garderobenpersonal übernommen werden. Ab einer   ziert sein. Befindet sich die Ausgabe an der Kasse, muß klar
        gewissen Ausleihmenge hat eine solche Zusatzbelastung jedoch   ersichtlich  sein,  daß  ein  Guide  als  Upsale  verfügbar  ist.  Oft
        den Effekt, daß andere Besucher-Workflows, wie Ticketverkauf   reicht es, ein Mustergerät gut sichtbar auszulegen. Auch Hin-
        oder Garderobenabfertigung, leiden. Beim Thema Refinanzie-  weisschilder oder Plakatständer machen sich bezahlt. Das
        rung wird dies weiter unten eine Rolle spielen, da zusätzliche   Kassenpersonal trägt dann entscheidend zum Erfolg bei. Den
        Mitarbeiter zwar Kosten verursachen, aber durch das bessere   Kollegen sollte klar sein, daß hier letztlich Verkaufsgespräche,
        Angebot auch mehr Einnahmen generieren können.                                                                           wenn  auch  in  Blitzform,  geführt  werden.  Die  proaktive  Fra-
                                                               ge  nach  einem  Guide  sollte  deshalb  immer  geführt  werden.
        Ein  anderes  Thema  ist  die  Wartung  des  Systems.  Bei  Hard-  Sichtbarkeit alleine reicht aber nicht aus, denn immerhin muß
        ware- oder Softwareproblemen muß der Anbieter schnell er-  ein Besucher auch ein Bedürfnis entwickeln und einen Nutzen
        reichbar sein. Es ist deshalb notwendig, sich schon beim Kauf   im  Angebot  sehen.  Das  Kassenpersonal  sollte  ein  oder  zwei
        die zeitliche Verfügbarkeit von Support, Reaktionszeiten und   Sätze eintrainieren, die automatisch beim Ticketkauf kommu-
        einen eventuellen Vorortservice zu einem fest vereinbarten   niziert werden. Der Besucher muß nicht nur von einem Guide
        monatlichen Pauschalbetrag garantieren zu lassen. Bei Proble-  wissen, sondern auch den Nutzen erkennen. Die Message soll-
        men sollten Museumsmitarbeiter schnell ein Helpdesk-Ticket   te sein, daß der Guide den Besuch wertvoller macht, also daß
        schreiben  oder  ein  Supporttelefon  des  Anbieters  erreichen   man ohne Guide sozusagen etwas verpaßt. Das ist kein bloßer
        können. Ein modernes Guiding System ist also kein „Sell-and-  Verkaufstrick, sondern erfüllt die Erwartung an moderne Mu-
        Run“-Produkt. Es bedarf einer periodischen Wartung und ei-  seen, die Individualbesuchern nicht nur hochkarätige Ausstel-
        nes gut erreichbaren Supports.                                                  lungen, sondern auch exzellente Vermittlung bieten. Eine wei-
                                                               tere Faustregel: Ausgabemitarbeiter sollten nicht erklären, wie
        Die  Wartung einer Besucher-App besteht aber nicht nur   die App funktioniert, sondern was sie bietet. Es soll auf span-
        aus Supportanfragen. Insbesondere wenn man eine App für   nendes Bildmaterial, Videos, Interaktivität oder Mehrsprachig-
        Smartphones anbietet, ist es entscheidend, daß der Anbieter   keit verwiesen werden, je nachdem, was die App konkret kann.
        die App periodisch mit Software-Upgrades versorgt. Nur wenn   Bedienungserklärungen können vermieden werden. Wie die
        der Wartungsvertrag eine garantierte Update-Klausel enthält,   Funktionen verwendet werden, muß eine gute Benutzerober-
        kann man davon ausgehen, daß die App „in Schuß“ gehalten   fläche selbsterklärend mitbringen.
        wird und auf dem neuesten iPhone funktioniert.
                                                               Doch selbst wenn der Besucher vom Nutzen überzeugt wurde,
        Refinanzierung: „Return on Investment“                 ist der Guide noch nicht verliehen. In letzter Sekunde sollten kei-
                                                               ne Stolpersteine für den Besucher im Weg liegen. Die tatsäch-
        Bei der Frage, wo das Geld herkommen soll, scheiden sich die   liche  Kaufentscheidung  kommt  viel  eher  zustande,  wenn  der
        Geister.  Einerseits  könnte  man  meinen,  eine  Besucher-App   Upsale einfach abzuwickeln ist. Sehen Besucher in der Warte-
        muß sich selbst zu 100 Prozent finanzieren. Jeder Euro, der   schlange, daß die Kassenkraft erst ins Hinterzimmer gehen oder
        hineingesteckt wird, muß  durch direkte  Einnahmen wieder   komplizierte  Zusatztickets  etc.  erstellen  muß,  sinkt  die  Moti-
 Interaktionen und Social Media Integration sind nur einige der neuen Möglichkeiten App-basierter Besucherguides,    hereinkommen. Andererseits könnte man aber auch sagen,   vation. Die Mitarbeiter sollten einige „ready-to-go“-Guides zur
 hier im Museum Schloß Rosenburg.  Kosten für eine Besucher-App sollen aus dem regulären Bud-  Hand haben, die gleich übergeben werden können. Vor allem

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