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Sonderteil zur EXPONATECSonderteil zur EXPONATEC Sonderteil zur EXPONATEC
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Meike Herdes; Anna Schultz Um das Werk besser zugänglich zu machen, es in seiner Viel-
falt zu präsentieren und eine nachhaltige Schonung der wert-
Das Heartfield-Projekt im vollen Originale zu gewährleisten, wird zur Zeit ein auf zwei
Jahre angelegtes und von der Ernst von Siemens-Kunststiftung
Archiv der Akademie der Künste im Rahmen der Initiative des Bündnisses „Kunst auf Lager“
großzügig gefördertes Erschließungs- und Digitalisierungspro-
jekt durchgeführt. 2018 wird der Bestand in Form eines kom-
mentierten Online-Katalogs und einer virtuellen Ausstellung
erstmals in seiner Gesamtheit der Öffentlichkeit präsentiert.
Team Heartfield: Meike Herdes, John Heartfield mit Sämtliche Werke gelangen dann vom Depot in den Diskurs, und
Polizeipräsident Zörgiebel, Anna Schultz und Volker Heartfields Œuvre wird international in seiner ganzen Vielfalt
Busch. Foto: Myriam Hilmes wahrgenommen werden.
Der Maler und Graphiker John Heartfield (1891-1968) gilt als schriftlichen Nachlaß von ca. 4 lfm Umfang, der im Archiv Kunstwerke, die John Heartfield aus seinem Prager Exil über
Begründer der politischen Fotomontage und war einer der der Akademie betreut wird. Der Bestand wird sowohl von der London nach Deutschland zurückgebracht hat und solche,
wichtigsten und innovativsten politisch-satirischen Künstler im wissenschaftlichen Forschung als auch durch Leihanfragen na- welche die Kriegsjahre in der Sowjetunion überdauert haben,
Kampf gegen den Nationalsozialismus. Seine revolutionären tionaler und internationaler Museen außerordentlich intensiv blicken auf eine bewegte Geschichte zurück, die nicht spurlos
Werke trafen ins Mark und fielen aufgrund ihrer tagespoliti- genutzt. an den Objekten vorbeigegangen ist. Notwendige konservato-
schen Aktualität in der Bevölkerung auf fruchtbaren Boden. rische oder restauratorische Maßnahmen konnten zu Lebzei-
In seinen Fotomontagen, darunter „Der Sinn von Genf“ (Abb. Neben den rund 270 Fotomontagen (plus zahlreichen Vor- und ten des Künstlers nicht ausgeführt werden. Nach der Übernah-
unten) oder „Millionen stehen hinter mir“ (Abb. unten), die Alternativentwürfen und in direktem Bezug stehenden Druk- me durch die Akademie der Künste ab 1971 wurden Werke, die
den „Sinn des Hitlergrußes“ satirisch entlarvt, leistete Heart- kerzeugnissen wie Negativen und Textfolien) umfaßt der bild- für den Leihverkehr und Ausstellungsprojekte bereitgestellt
field oft unter Lebensgefahr einen aktiven, kreativen Beitrag künstlerische Bestand Entwürfe für Buchumschläge, die den wurden, vorrangig konservatorisch behandelt, für eine syste-
zum Widerstand. Heute gehören diese zwischen 1929 und 1938 1920er Jahren insbesondere für den Malik-Verlag oder zwi- matische Optimierung der Lagerung fehlten finanzielle Mittel
in der Arbeiter Illustrierte Zeitung (AIZ) in hoher Auflage ver- schen 1938 und 1950 im englischen Exil entstanden. Heartfield und Kapazitäten. Die nun in Vorbereitung auf die Digitalisie- Entwurf für eine Broschüre von Z. Mokhov: Social Insurance in
breiteten Motive zu den Ikonen des Kampfes gegen den Fa- schuf außerdem Plakate, Bühnenbildprojektionen, Kostüme rung erfolgte systematische Bestandssichtung zeigte aber, daß the USSR, 1945, gestaltet von John Heartfield. Inv.Nr. JH 737
Schadensbild: Ablösung
schismus, zum kollektiven Bildgedächtnis und zu den größten oder Theaterprogrammhefte. Hier gibt es noch viel zu entdek- zur Schadensbegrenzung eine verbesserte Verpackung und La-
Schätzen des Archivs der Akademie der Künste, Berlin. ken: Der Großteil der Theaterarbeit, mit der Heartfield sich gerung nach heutigen konservatorischen Standards dringend
nach seiner Rückkehr in die DDR in den 1950er Jahren bis zu erforderlich ist, um unwiderrufliche Schäden an den Objek-
Der gesamte Nachlaß Heartfields umfaßt das künstlerische seinem Tod 1968 intensiv beschäftigte, ist bisher unpubliziert ten abzuwenden. Besonders gefährdet sind die empfindlichen Objektgefährdung durch konservatorisch
Werk mit ca. 6200 Objekten in der Kunstsammlung sowie den und folglich weithin unbekannt. Bildschichten der Fotografien, die für die Montagen verwen- ungünstige Lagerung
det wurden. Eine großzügige Förderung durch die Hermann
Reemtsma Stiftung, ebenfalls im Rahmen von „Kunst auf La- Bisher lagerten die Fotomontagen, in Seidenpapier eingeschla-
ger“ ermöglicht uns nun die Implementierung einer verbesser- gen, übereinander gestapelt in flexiblen Archivmappen in Gra-
ten Verpackung und Lagerung der Originalmontagen und der fikschränken. Diese Lagerungsform führte zu mechanischen
Heartfield-Bibliothek. Hierfür wurde von den Mitarbeiterinnen Belastungen auf die eingelagerten Fotomontagen. Folgeerschei-
der Kunstsammlung in enger Zusammenarbeit mit der hausin- nungen sind abplatzende Malschichten sowie sich abhebende
ternen Restaurierungsabteilung (Volker Busch für die Nachlaß- Elemente. Zudem kam es bisweilen zur lokalen Glanzbildung und
bibliothek und Marieluise Nordahl für die Fotomontagen) ein Abrieb der sensiblen Oberflächen.
Neulagerungskonzept erarbeitet, das im laufenden Jahr um-
gesetzt wird. Die bisherige Aufbewahrung in einfachen Klappmappen begün-
stigte zudem das Einwirken von Klimaschwankungen auf die
Die Original-Fotomontagen fragilen Objekte. Besonders an den Außenkanten traten mitun-
ter Verwellungen auf.
John Heartfields Fotomontagen zeichnen sich durch ihre mate-
rielle Fragilität und eine hohe Diversität an Formaten aus. Das Neukonzeption und Implementierung von
Bildmotiv entsteht durch die mit Leim verklebte Kombination von konservatorisch optimierten Lagerungs-
fotografischen Elementen und Ausschnitten, die in der Regel mit bedingungen für die Fotomontagen
Spritz- und Pinselretuschen oder Übermalungen bearbeitet ist.
In ihrer Funktion als Druckvorlagen wurden die Originalmontagen Eine geeignete Lagerungsform wird die Fotomontagen in Zu-
häufig auf einem stabilen Sekundärträgerkaschiert, der mit Aus- kunft vor weiteren mechanischen Beschädigungen und kurzfri-
schnittmarkierungen und Anmerkungen für den Druck von Heart- stigen klimatischen Änderungen schützen. Zudem wird durch
field beschriftet wurde und wichtige Einblicke in Arbeitsweise die Neulagerung eine einfache und sichere Handhabung der
und Fertigungsprozesse dokumentiert. Objekte gewährleistet.
Beschädigungen der Fotomontagen sind hauptsächlich auf Die Fotomontagen werden auf einen Trägerkarton montiert,
mechanische Einwirkungen zurückzuführen. So weisen die wodurch sie vor dem Verrutschen gesichert sind. Der Trä-
sensiblen Oberflächen aus Fotogelatine und Retuscheschicht gerkarton dient zugleich auch als Montierung und kann für
Kratzer, Abrieb, Glanzstellen und abplatzende Malschichten Präsentationszwecke direkt in die Distanzrahmen (mit drei
auf. Die Träger aus Papier und Pappe sind an Ecken und Kan- verschiedenen Standardmaßen) eingefügt werden. Gerade in
ten vielfach bestoßen, eingerissen oder bereits verloren ge- Hinblick auf die für 2020 von der Akademie der Künste ge-
gangen. Die auf Holzpappe kaschierten Objekte sind entlang plante große Retrospektive, aber auch für den weiteren Leih-
der Kanten meist deformiert. Von chemischen Veränderungen verkehr, wird durch diese so sinnvolle wie effektive Maßnah-
John Heartfield: Der Sinn von Genf, 1932, Originalmontage. John Heartfield: Millionen stehen hinter mir, 1932, Originalmon- zeugen Silberspiegel auf der Bildschicht der Fotografien. me eine wiederholte Neumontierung, die zwangsläufig auch
Inv.Nr. JH 421 tage. Inv.Nr. JH 524
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MUSEUM AKTUELL 243 | 2017 MUSEUM AKTUELL 243 | 2017
EXPOTIME!, issue October / November 2017